Merkel ohne Wachstum, die Werte Europas und die Autoindustrie

In unserer Show spielen Interviews mit Protagonisten wie Tim Jackson, Autor von „Wohlstand ohne Wachstum“, Verena Papke von der Seenotrettungs-NGO SOS Méditerranée oder dem ehemaligen Leiter der Motoren- und Getriebeentwicklung von Volkswagen, Dr. Hermann Oetting, eine zentrale Rolle. Unter anderem über die folgenden Themen haben wir mit ihnen gesprochen.
(Der Text basiert auf unserer neuesten Pressemeldung.)

Tim Jackson:

„Angela Merkel versucht, auf ihre Weise über Bedingungen sozialer Stabilität nachzudenken. Sie denkt, dass soziale Stabilität wirtschaftliche Stabilität erfordert. Und in gewisser Weise hat sie damit auch Recht. Aber sie glaubt – und da liegt der Fehler –, dass wirtschaftliche Stabilität auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist. Wirtschaftswachstum hat uns vielmehr zu wirtschaftlicher Instabilität geführt, weil wir so unerbittlich dem großen Gott des Wachstums nachjagen. Und wenn wir uns davon befreien, wenn wir die Möglichkeit für soziale Stabilität in sozialer Gerechtigkeit sehen anstelle von Wachstum, Wachstum, Wachstum – indem wir also stattdessen eine faire Wirtschaft schaffen, die für alle funktioniert, eröffnen sich Angela Merkel ganz neue Möglichkeiten.“

Tim Jackson ist Professor für Nachhaltige Entwicklung an der Universität von Surrey und Autor des Bestsellers „Wohlstand ohne Wachstum“.

 Verena Papke:

„Menschen werden immer flüchten, sie werden immer Wege finden und sie werden auch immer in Europa ankommen. Und die Frage ist: Will sich Europa so weit von seinem eigenen Selbstverständnis entfernen, dass man nur noch in Grenzabkommen und in den Debatten denkt, wie man Menschen, die in Libyen einer furchtbaren Gewaltspirale ausgesetzt sind, davor zurückhält, zu uns zu kommen? Und es ist nicht so, dass wir eine Lösung hätten. Ich kann Journalisten keine Antwort geben, wenn sie mich fragen: Und, was ist eure Lösung, wie kann man die Herausforderung der Migration lösen? Es wäre vermessen zu sagen, wir haben eine Lösung. Aber wir brauchen eine ehrliche Debatte darüber, wie wir dieser Herausforderung begegnen wollen. Damit wäre schon ein Schritt getan, der aus meiner Sicht derzeit nicht wirklich stattfindet.“

Verena Papke arbeitet im Kommunikationsteam der SOS Méditerranée, die im Mittelmeer das größte zivile Rettungsschiff betreibt.

Dr. Hermann Oetting:

„Ich verstehe nicht, warum die Autoindustrie nicht einen der beiden Wege einschlägt, die sie in die Zukunft führen würden. Der eine wäre ein landesweites Rohrleitungssystem, das überschüssigen Strom in Form von Wasserstoff speichert und an Autos mit Brennstoffzelle abgibt. Der frühere Entwicklungschef von BMW Wolfgang Reitzle fordert das seit 15 Jahren. Doch niemand geht darauf ein. Der andere wäre, dass sich die Autoindustrie auf einen gemeinsamen Akku-Standard einigt, so dass Autofahrer an der Tankstelle den Akku wechseln können. Solange die Konzerne glauben, sie könnten auf diesem Gebiet miteinander konkurrieren, wird das mit der Elektromobilität nichts werden.“

Bis zu seinem Ausscheiden 1994 war Hermann Oetting Leiter der Motoren- und Getriebeentwicklung von Volkswagen. In den siebziger Jahren saß er zudem für die SPD im Deutschen Bundestag.

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